Überdachende Besteuerung Schweiz:
Steuerpflicht in Deutschland trotz Wegzug
Die Schweiz bietet attraktive Steuervorteile und zieht damit viele Personen und Unternehmer an, die ihre deutsche Steuerlast reduzieren möchten. Ein Wegzug in die Schweiz führt nicht zwangsläufig zu einer vollständigen Befreiung von der deutschen Steuerpflicht. Vielmehr kann es dazu kommen, dass der deutsche Fiskus von der günstigeren Besteuerung in der Schweiz profitiert.
Ein teilweiser Wegzug aus Deutschland, eine Entsendung durch den Arbeitgeber oder ein neues Arbeitsverhältnis in der Schweiz können schnell dazu führen, dass trotz Wohnsitzverlagerung weiterhin eine deutsche Steuerpflicht besteht.
Dieser Beitrag beleuchtet die sogenannte überdachende Besteuerung im Verhältnis zur Schweiz – eine besondere Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz (nachfolgend DBA Schweiz). Sie kann dazu führen, dass auch nach einem Wegzug weiterhin eine Steuerpflicht in Deutschland besteht.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der überdachenden Besteuerung:
- Die überdachende Besteuerung aufgrund eines Doppelwohnsitzes nach Art. 4 Abs. 3 DBA Schweiz
- Die Abwanderer-Regelung des Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz
Überblick
Der Wohnsitz für die Besteuerung in Deutschland
Grundsätzlich bestimmt sich die Steuerpflicht in Deutschland nach dem Wohnsitzprinzip und dem gewöhnlichen Aufenthalt.
Wer in Deutschland eine Wohnung unterhält oder sich mehr als 183 Tage im Jahr dort aufhält, gilt als unbeschränkt steuerpflichtig und muss sein weltweites Einkommen in Deutschland versteuern.
Wer hingegen seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, verliert normalerweise seine Steuerpflicht in Deutschland – aber nicht immer.
Einkünfte aus deutschen Quellen sind im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auch nach einem Wegzug in Deutschland zu besteuern. Darüber hinaus führt auch die vorliegende überdachende Besteuerung im Verhältnis zur Schweiz zu einer deutschen Steuerpflicht.
Doppelwohnsitz Schweiz und Deutschland: Wann droht doppelte Steuerpflicht?
Viele international mobile Personen behalten nach ihrem Wegzug eine Wohnung in Deutschland, sei es aus beruflichen oder privaten Gründen. In solchen Fällen kann es zu einem Doppelwohnsitz kommen, wenn auch in der Schweiz ein Wohnsitz begründet wird.
Dies wirft die Frage auf: Wo muss die betreffende Person ihre Steuern zahlen?
Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz (nachfolgend DBA-Schweiz) bestimmt in Fällen eines Doppelwohnsitzes, wo die Person steuerlich ansässig ist.
Die Tie-Breaker-Rule des Art 4 Abs. 2 DBA-Schweiz bestimmt anhand folgender Kriterien, in welchem Land die steuerliche Ansässigkeit gegeben ist:
- Ständige Wohnstätte – In welchem Land verfügt die Person über eine ständige Wohnstätte? Falls eine Person in beiden Staaten eine Wohnstätte hat, wird das nächste Kriterium geprüft.
- Lebensmittelpunkt – Wo hat die Person ihre engeren familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen?
- Gewöhnlicher Aufenthalt – Wo hält sich die Person überwiegend auf?
- Staatsangehörigkeit – Falls die ersten drei Kriterien nicht eindeutig sind, entscheidet die Staatsangehörigkeit.
- Einvernehmliche Regelung zwischen den Finanzbehörden – Falls keine der vorigen Kriterien eine eindeutige Entscheidung ermöglicht, einigen sich die Steuerbehörden beider Länder.
Die Kriterien werden in genau dieser Reihenfolge geprüft.
Überdachende Besteuerung Schweiz – Warum der Wegzug nicht reicht
Die überdachende Besteuerung des Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz führt dazu, dass Deutschland das unbeschränkte Besteuerungsrecht behält, auch wenn die Person nach der Tie-Breaker-Rule des Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz in der Schweiz als steuerlich ansässig gilt. Voraussetzung für die überdachende Besteuerung ist, dass die Person eine ständige Wohnstätte hat oder sich dort mindestens sechs Monate pro Jahr gewöhnlich aufhält.
Sofern diese Regelung greift, kann Deutschland die betreffende Person ungeachtet anderer Bestimmungen im DBA-Schweiz besteuern.
Eine Doppelbesteuerung wird durch Steueranrechnung gemäß Art 24 Abs. 1 DBA-Schweiz für bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte vermieden.
Die Abwanderer-Regelung
Darüber hinaus enthält Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz noch eine besondere Regelung für Personen, die in die Schweiz auswandern.
Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz betrifft Personen ohne schweizerische Staatsangehörigkeit, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen, aber in den letzten fünf Jahren vor dem Wegzug unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland waren.
In diesen Fällen bleibt Deutschland für einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Wegzug berechtigt, die Person weiterhin als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.
Die deutsche Besteuerung umfasst dabei aus Deutschland stammende Einkünfte und in Deutschland belegene Vermögenswerte.
Diese Regelung dient dazu, steuerlich motivierte kurzfristige Wohnsitzverlagerungen in die Schweiz zu verhindern.
Allerdings wird eine Doppelbesteuerung vermieden, indem Deutschland die in der Schweiz gezahlten Steuern gemäß Art. 24 DBA-Schweiz anrechnet.
Ausgenommen sind Fälle, in denen die Person in der Schweiz steuerlich ansässig wurde, um einer echten unselbstständigen Arbeit für einen Arbeitgeber auszuüben. Die Person darf am Arbeitgeber weder beteiligt sein noch andere wirtschaftlich wesentliche Interessen haben.
Das Wichtigste zusammengefasst
Die überdachende Besteuerung und die Abwanderer-Regelung verdeutlichen, dass ein Wohnsitzwechsel in die Schweiz nicht automatisch das Ende der Steuerpflicht in Deutschland bedeutet.
Bei Vorliegen eines Doppelwohnsitzes kann die überdachende Besteuerung eine Steuerpflicht in Deutschland nach sich ziehen.
Daneben kann auch eine komplette Aufgabe des deutschen Wohnsitzes zu einer weiteren unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland von fünf Jahren nach Wegzug führen.
PRAXISTIPP
Wer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, sollte die Auswirkungen des DBA-Schweiz genau prüfen und eine vorausschauende Steuerplanung betreiben.
- In welchem Land haben Sie einen Wohnsitz?
- Werden Sie einen Doppelwohnsitz haben?
- Wo wird ihr Lebensmittelpunkt liegen?
- Welche Einkünfte insb. aus deutschen Quellen haben Sie?
Neben der überdachenden Besteuerung könnte unter Umständen auch die Wegzugsbesteuerung ein Thema sein. Für mehr Details verweise ich auf meinen Blog-Artikel: Goodbye Deutschland – Wegzugsbesteuerung im Fokus .
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Sprechen Sie mich gerne hierzu an!
Disclaimer
Der Beitrag verwendet zum besseren Verständnis eine einfache Sprache und ist bezüglich der einzelnen Voraussetzungen, die das Gesetz fordert, auch verkürzt dargestellt.
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information. Jede Situation ist individuell, daher empfehle ich immer eine professionelle Beratung, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Zuletzt aktualisiert 13. September 2024