Hinzurechnungsbesteuerung – Steuerfalle verstehen und abwehren
Deutsche Unternehmer, die im Ausland expandieren möchten, liebäugen mit einem niedrig besteuerten Standort. Häufig werden hierfür in Steuerparadiesen Gesellschaften gegründet.
Warum auch nicht?!
Niedrig besteuerte Gewinne im Ausland bieten die Möglichkeit höhere Gewinnausschüttungen in Deutschland zu erzielen. Diese Gewinnausschüttungen sind bekanntlich in Deutschland ebenfalls steuerlich „begünstigt“ (Stichwort: Abgeltungssteuer/Teileinkünfteverfahren bei natürlichen Personen als Gesellschafter oder Steuerfreistellung nach § 8b KStG bei Kapitalgesellschaften als Gesellschafter).
Aber Achtung: die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung kann dieser Idee ein Strich durch die Rechnung machen.
Überblick
WAS MAN ÜBER DIE HINZURECHNUNGSBESTEUERUNG WISSEN SOLLTE?
Das deutsche Steuerrecht besteuert Körperschaften grundsätzlich eigenständig (sog. Trennungsprinzip). Das heißt, eine GmbH besteuert ihre Gewinne und die Gesellschafter versteuern Gewinnausschüttungen der GmbH. Grundsätzlich gilt dieses Konzept für in- und ausländische Gesellschaften.
Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung werden die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft beim deutschen Gesellschafter besteuert. Das erwähnte Trennungsprinzip wird in grenzüberschreitenden Konstellationen unter gewissen Voraussetzungen durchbrochen.
Der Gesetzgeber möchte mit dieser Regelung vermeiden, dass Einkünfte auf ausländische Körperschaften verlagert werden. Insbesondere, wenn die Gesellschaft im Ausland niedrig besteuert wird.
Die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung existieren bereits seit 50 Jahren. Sie sind allerdings mit Wirkung ab dem Jahr 2022 angepasst worden (§ 7 AStG, § 8 AStG).
WELCHE VORAUSSETZUNGEN MÜSSEN ERFÜLLT WERDEN?
Bei der Hinzurechnungsbesteuerung werden die Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft direkt dem deutschen Gesellschafter zugerechnet. Die Zurechnung erfolgt entsprechend der Beteiligungshöhe des Gesellschafters.
Eine Besteuerung erfolgt quasi unabhängig von einer Gewinnausschüttung, d.h. auch bei Thesaurierung der Einkünfte in der ausländischen Gesellschaft.
Dies setzt in Kürze folgendes voraus:
- Die ausländische Gesellschaft wird von in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen beherrscht
- Die ausländische Gesellschaft erzielt passive Einkünfte, die
- Niedrig besteuert werden (<25%)
Die Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit die Hinzurechnungsbesteuerung greift.
Unbeschränkt Steuerpflichtige können dabei natürliche Personen sein, die an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Oder auch deutsche Gesellschaften mit Beteiligungen im Ausland. Im Folgenden werden die Personenkreise zum besseren Verständnis auch als Unternehmer bezeichnet.
WANN LIEGT EINE BEHERRSCHUNG VOR?
Eine Beherrschung liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen, mehr als die Hälfte der Stimmrechte oder der Anteile am Nennkapital oder des Gewinns/Liquidationserlös der ausländischen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sind.
Bei einer Beteiligung von mehr als 50% ist somit eine Beherrschung gegeben.
WANN LIEGT EINE NIEDRIGBESTEUERUNG VOR?
Eine Niedrigbesteuerung liegt vor, wenn die ausländische Gesellschaft einer Steuerbelastung von weniger als 25% unterliegt (§ 8 Abs. 5 AStG).
Dabei ist zu beachten, dass die ausländischen Einkünfte nach deutschen Grundsätzen zu ermitteln sind, um die Steuerbelastung ermitteln zu können. Es ist daher eine Art Vergleichsrechnung anzustellen, um zu prüfen, ob eine Niedrigbesteuerung vorliegt. Dies kann in der Praxis sehr aufwendig sein.
In einem ersten Schritt reicht daher eine überschlägige Prüfung aus. Beispielsweise liegt der Ertragsteuersatz für Unternehmen in der Schweiz bei 12% bis 13%. In Hongkong beträgt der Steuersatz ca. 17%. In diesen Fällen liegt es nahe, dass auch eine Vergleichsrechnung zum Ergebnis einer Niedrigbesteuerung führen wird.
In manch anderen Fällen ist es nicht so eindeutig. Ein Beispiel ist die Niederlande:
Ab 2021 liegt die Körperschaftsteuer in den Niederlanden für steuerpflichtige Erträge über 245.000 Euro bei 25 %. Darunterliegende steuerpflichtige Erträge werden mit 15 % Körperschaftssteuer besteuert. Im Durchschnitt kann die Gesamtsteuerbelastung also unter 25% liegen. Unter Umständen kann die Niederlande aus deutscher Sicht ein Niedrigsteuergebiet sein. Eine Vergleichsrechnung ist daher geboten.
WAS SIND PASSIVE EINKÜNFTE?
Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 1 AStG einen Katalog von aktiven Einkünften aufgelistet, die grundsätzlich nicht unter die Hinzurechnungsbesteuerung fallen.
Erzielt die ausländische Gesellschaft die im Katalog aufgelisteten Einkünfte und erfüllt sie die Aktivitätsvoraussetzungen, werden die Einkünfte nicht hinzugerechnet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im Katalog nicht enthaltene Einkünfte als passive Einkünfte gelten und hinzugerechnet werden.
Das Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Konstrukt der Vorschrift macht die Regelung sehr kompliziert. Eine detaillierte Prüfung ist daher immer geboten.
Im Folgenden ein kleiner Überblick über Fälle, die als passive Einkünfte angesehen werden können.
HANDEL
Ist die ausländische Gesellschaft im Warenhandel tätig, gelten die Einkünfte grundsätzlich als aktiv.
Passive Einkünfte können allerdings vorliegen, wenn die ausländische Gesellschaft die Waren vom deutschen Unternehmer bezieht (Vertriebsgesellschaft) oder ihm die Waren verkauft (Einkaufsgesellschaft).
Ist der Geschäftsbetrieb der ausländischen Gesellschaft allerdings in kaufmännischer Weise eingerichtet, nimmt sie am Marktgeschehen teil, und geht sie ihrer Tätigkeit ohne Mitwirkung des deutschen Unternehmers eigenständig nach, liegen trotz der konzerninternen Beschaffung keine passiven Einkünfte vor.
DIENSTLEISTUNG
Erbringt die ausländische Gesellschaft Dienstleistungen, sind die Einkünfte hieraus grundsätzlich aktiv.
Passive Einkünfte liegen immer dann vor, wenn die Auslandsgesellschaft nur mit Unterstützung des deutschen Unternehmers die Dienstleistung ausführen kann oder die Dienstleistung gegenüber dem deutschen Unternehmer erbringt.
Im Falle der Dienstleistungserbringung an den deutschen Unternehmer, kann eine deutsche Hinzurechnung der Einkünfte durch eine aktive eigenständige Tätigkeit mit einer gewissen Substanz vermieden werden.
VERMIETUNG UND VERPACHTUNG
Hierunter fallen nicht nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Immobilien, sondern auch die Lizensierung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Die hieraus bezogenen Einkünfte können passive Einkünfte sein.
Insbesondere sind die Einkünfte aus der Lizensierung von Rechten (z.B. über ausländische IP-Gesellschaften) als passiv einzustufen. Eine Ausnahme gilt, wenn die ausländische Gesellschaft ohne Mitwirkung des deutschen Unternehmers eigene F&E-Arbeit leistet und die Einkünfte hierfür bezogen werden.
DIE RECHTSFOLGEN DER HINZURECHNUNGSBESTEUERUNG
Sind die o.g. Voraussetzungen erfüllt, werden die passiven Einkünfte dem deutschen Unternehmer entsprechend seiner Beteiligungsquote zugerechnet (sog. Hinzurechnungsbetrag).
Der Hinzurechnungsbetrag gilt als fiktive Dividende an den deutschen Unternehmer.
Aber Achtung: die Dividende wird mit dem (individuellen) Steuersatz des deutschen Unternehmers versteuert.
Die „steuerbegünstigten“ Vorschriften wie die Abgeltungssteuer, das Teileinkünfteverfahren und die Steuerfreistellung nach § 8b KStG finden im Falle der Hinzurechnungsbesteuerung keine Anwendung.
Dies macht die Auslandsbeteiligung steuerlich sehr unattraktiv.
Die im Ausland gezahlte Steuer kann allerdings angerechnet werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden (aber: keine Anrechnung auf deutsche Gewerbesteuer).
Neben den steuerlichen Konsequenzen führt die Hinzurechnungsbesteuerung zu einem hohen administrativen Aufwand im Rahmen der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags. Darüber hinaus ist eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in Deutschland erforderlich.
WIE VERMEIDET MAN DIE HINZURECHNUNGSBESTEUERUNG?
Die Hinzurechnungsbesteuerung kann grundsätzlich vermieden werden, wenn der deutsche Unternehmer lediglich eine Beteiligungshöhe von unter 50% an der ausländischen Gesellschaft hält. Dann liegt keine Beherrschung vor.
Darüber hinaus kann die Ausstattung der ausländischen Gesellschaft mit einer aktiven eigenständigen Tätigkeit von gewisser Substanz die Hinzurechnungsbesteuerung vermeiden. Die Gesellschaft erzielt dann aktive Einkünfte.
PRAXISTIPP
Eine Expansion ins Ausland sollte gut bedacht sein. Viele Unternehmer sind von den niedrigen Steuersätzen im Ausland begeistert und bedenken nicht die deutschen steuerlichen Konsequenzen.
Die Gründung einer ausländischen Gesellschaft ohne eigene Wirtschaftstätigkeit, birgt ein hohes steuerliches Risiko. Einkünfte können nicht einfach ins Ausland verschoben werden ohne deutsche steuerliche Konsequenzen.
Meine Empfehlung in Kürze: Planen Sie die Expansion und die Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft im Vorfeld.
Ein „Upgrade“ der Tätigkeiten im Ausland kann ebenfalls zur Vermeidung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung führen.
Liegt bei Ihnen ein Risiko für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung vor und benötigen Sie steuerlichen Rat?
Ich unterstütze Sie gerne in folgenden Bereichen:
- Prüfung der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
- Gestaltung zur Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung
- Begleitung von Einsprüchen und Klagen vor den Finanzgerichten im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung
- Gutachten zu Einzelfragen der Hinzurechnungsbesteuerung
- Unterstützung bei der Deklaration einer Hinzurechnungsbesteuerung
Sprechen Sie mich gerne hierzu an!
Disclaimer
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information. Jede Situation ist individuell, daher empfehle ich immer eine professionelle Beratung, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Der Beitrag verwendet zum besseren Verständnis eine einfache Sprache und ist bezüglich der einzelnen Voraussetzungen, die das Gesetz fordert, auch verkürzt dargestellt.
Zuletzt aktualisiert 20. Juli 2022