Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG –
Die Besteuerung nach dem Wegzug
Nie wieder Steuern in Deutschland zahlen! Dies ist der Wunsch vieler Unternehmer, die Deutschland verlassen. Das ist in vielen Fällen allerdings ein Irrtum.
Überblick
DIE BESTEUERUNG NACH DEM WEGZUG
Neben der einmaligen Wegzugsbesteuerung (Link zum Blogbeitrag) im Zeitpunkt des Wegzuges, verbleibt es in vielen Fällen weiterhin bei einer deutschen Besteuerung.
Deutsche Einkünfte wie z.B. Mieteinnahmen oder gewerbliche Einnahmen sind weiterhin in Deutschland steuerpflichtig.
Aufgrund des Wegzugs besteht zwar keine unbeschränkte Steuerpflicht (Besteuerung der Welteinkünfte) mehr, allerdings eine beschränkte Steuerpflicht (Besteuerung deutscher Einkünfte). In diesen Fällen ist weiterhin eine deutsche Steuererklärung abzugeben.
Darüber hinaus möchte der Gesetzgeber den Weggezogenen steuerlich noch in Deutschland halten und ausländische Steuervorteile durch die sogenannte erweiterte beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 AStG begrenzen.
WAS IST DIE ERWEITERTE BESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT GEMÄSS § 2 ASTG?
Durch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht wird die „normale“ beschränkte Steuerpflicht des Auswanderers für 10 Jahre nach dem Wegzug erweitert. Dies gilt insbesondere, für Unternehmer, die von Deutschland in ein sogenanntes Niedrigsteuerland umziehen.
Das bedeutet, der Umfang der steuerpflichtigen Einkünfte wird erweitert und der Steuersatz wird entsprechend des Welteinkommens bestimmt. Hierdurch ist der Unternehmer verpflichtet seine weltweiten Einkünfte dem deutschen Finanzamt offenzulegen – trotz des Wegzugs!
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht umfasst das gesamte Welteinkommen abzüglich der ausländischen Einkünften im Sinne des § 34d EStG.
Die Regelung findet nur Anwendung für Veranlagungszeiträume, in denen die erweitert beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte mehr als 16.500 € betragen (Freigrenze).
VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE ERWEITERTE BESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT GEMÄSS § 2 ASTG
Die Regelung ist recht komplex und findet in folgenden Konstellationen Anwendung:
- Eine natürliche Person,
- die in den letzten 10 Jahren vor dem Wegzug insgesamt mindestens 5 Jahre als Deutscher unbeschränkt steuerpflichtig war
- Nach dem Umzug im niedrig besteuerten Ausland ansässig ist oder in keinem ausländischen Land ansässig ist
- Und weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat
WAS GILT ALS NIEDRIGSTEUERLAND BEI DER ERWEITERTEN BESCHRÄNKTEN STEUERPFLICHT?
Für die Bestimmung, ob der ausländische Staat ein Niedrigsteuerland im Sinne der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist, sieht das Gesetz einen Belastungsvergleich vor (§ 2 Abs. 2 AStG).
Es stellt sich also die Frage, ob die Steuerbelastung im Ausland niedriger ist als eine Besteuerung in Deutschland.
Für den Vergleich wird pauschalierend ein Einkommen von 77.000 EUR zu Grunde gelegt. Die entsprechende Steuer im Ausland für dieses Einkommen wird ins Verhältnis gesetzt zur entsprechenden Besteuerung in Deutschland. Ist die ausländische Besteuerung um ein Drittel geringer als die deutsche Besteuerung, gilt das Ausland als Niedrigsteuerland im Sinne der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG.
Beispiel: Im Jahr 2023 beträgt die deutsche Besteuerung für ein Einkommen von 77.000 EUR ca. 29%. Eine niedrige Besteuerung im Ausland wird damit schon bei unter 19% angenommen.
Eine niedrige Besteuerung im Ausland liegt ebenfalls vor, wenn der Unternehmer im Ausland von einer Vorzugsbesteuerung profitiert. Hierunter fällt beispielsweise die Schweizer Pauschal- bzw. Aufwandsbesteuerung.
In beiden Fällen besteht die Möglichkeit einen tatsächlichen Belastungsvergleich vorzunehmen. In diesem Fall kann der Weggezogenen darlegen, dass die gesamte Steuerbelastung im Ausland mindestens zwei Drittel der Steuerbelastung in Deutschland darstellt. Im Prinzip ist in diesem Fall eine Art Soll-Ist-Besteuerungsanalyse vorzunehmen.
WAS SIND WESENTLICHE WIRTSCHAFTLICHE INTERESSEN BEI DER ERWEITERTEN BESCHRÄNKTEN STEUERPFLICHT?
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht findet nur Anwendung, wenn der Unternehmer noch wesentlich wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat.
Wesentlich wirtschaftliche Interessen liegen vor, wenn die Person
- Einzelunternehmer oder Mitunternehmer eines deutschen Gewerbebetriebs oder zu mindestens 25% als Kommanditist am deutschen Gewerbebetrieb beteiligt ist.
- Zu mindestens 1 % an einer inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist.
- Inländische Einkünfte erzielt, die bei unbeschränkter Steuerpflicht mehr als 30% der Gesamteinkünfte oder mehr als 62.000 EUR betragen
- Inländisches Vermögen gehört, das bei unbeschränkter Steuerpflicht mehr als 30% des Gesamtvermögens beträgt oder 154.000 EUR übersteigt
PRAXISTIPP
- Der Anwendungsbereich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist in der Praxis beschränkt auf nur einige wenige Einkunftsarten. Dennoch kann die Vorschrift die Steuerpflicht eines weggezogenen Gesellschafters tangieren.
- Ein Beispielsfall ist ein vom weggezogenen Gesellschafter gewährtes Darlehen an die deutsche Gesellschaft ohne Besicherung durch deutsches Grundvermögen. In diesem Fall unterliegen die Zinseinnahmen des weggezogenen Gesellschafters der deutschen Besteuerung im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht.
- Gestaltungspotenzial: Durch Besicherung des Darlehens mit ausländischem Grundbesitz, kann eine solche Besteuerung vermieden werden.
- Vor Wegzug eines Unternehmers sollten alle Einkunftsquellen überprüft werden, um eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht zu vermeiden.
- Ist der Unternehmer an weiteren Gesellschaften im niedrig besteuerten Ausland beteiligt, werden dem Weggezogenen auch die Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft zugerechnet. Hier greift im Prinzip die Hinzurechnungsbesteuerung auch im Fall der erweitert beschränkten Steuerpflicht (§ 5 AStG).
Für interessierte Leser gibt es hier den Blogbeitrag zur Hinzurechnungsbesteuerung (Blogbeitrag Hinzurechnungsbesteuerung)
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Disclaimer
Der Beitrag verwendet zum besseren Verständnis eine einfache Sprache und ist bezüglich der einzelnen Voraussetzungen, die das Gesetz fordert, auch verkürzt dargestellt.
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information. Jede Situation ist individuell, daher empfehle ich immer eine professionelle Beratung, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Zuletzt aktualisiert 2. Mai 2023