Produktionsverlagerung ins Ausland

Produktionsverlagerung ins Ausland –
BFH-Urteil mit neuen Perspektiven für Unternehmer

In der heutigen globalen Geschäftswelt suchen Unternehmen ständig nach Wegen, ihre Effizienz zu steigern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Eine gängige Praxis ist die Verlagerung von Produktionsprozessen ins Ausland. Doch welche steuerlichen Auswirkungen hat das?

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 2023 (Az. I R 54/19) liefert hierzu wichtige Erkenntnisse für Produktionsverlagerungen. Konkret ging es um ein mittelständisches Automobilzulieferunternehmen in Deutschland, das einen Teil seiner Produktion an eine Schwestergesellschaft in Bosnien-Herzegowina auslagerte.

Nachfolgende Zusammenfassung bezieht sich auf die Produktionsverlagerung im Urteilsfall. Die Ausführungen haben allerdings auch Relevanz für andere Funktionen im Unternehmen. In diesen Fällen spricht man allgemein von Funktionsverlagerungen.

Überblick

Der Fall im Detail

Die Produktionsverlagerung ins Ausland stellt sich im Urteilsfall wie folgt dar:

Die deutsche Muttergesellschaft verkaufte Materialien wie Bauteile, Komponenten und Rohstoffe zu Selbstkostenpreisen an ihre ausländische Schwestergesellschaft. Diese übernahm dann die Produktion bestimmter Teile und lieferte die fertigen Produkte zurück an das deutsche Unternehmen.

Bis zum Jahr 2012 kaufte die deutsche Muttergesellschaft sämtliche von der ausländischen Schwestergesellschaft hergestellten Produkte zurück.

Ab dem Jahr 2013 änderte sich die Situation: Die ausländische Schwestergesellschaft konnte nun eigene Umsätze erzielen, indem sie die von ihr hergestellten Produkte an einen ehemaligen Kunden der deutschen Muttergesellschaft verkaufte.

Es entstanden Unstimmigkeiten mit der Finanzverwaltung über die Preisgestaltung für diese internen Geschäfte.

Das Finanzamt sah eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG)  als notwendig an.

Die Klägerin, also die deutsche Muttergesellschaft, widersprach dieser Einschätzung und ging vor Gericht.

Dies führte schließlich zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Einkünftekorrektur bei Produktionsverlagerungen auf eine Schwestergesellschaft im Ausland.

Die wesentlichen Punkte des Urteils

1. Nachrangigkeit des § 1 Abs. 1 AStG

Der BFH entschied, dass § 1 Abs. 1 AStG grundsätzlich gegenüber anderen Einkünftekorrekturvorschriften zurücktritt. Das bedeutet, dass diese Vorschrift nur dann angewendet wird, wenn andere Regeln keine ausreichenden Korrekturen erlauben.

Diese Auslegung führte im Streitfall zur alleinigen Anwendung der verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

2. Kausale Beziehung bei Produktionsverlagerung

Der BFH zweifelte daran, ob eine kausale Beziehung zwischen der Einschränkung von Funktionen im Inland und der Ausübung von Funktionen im Ausland immer gegeben sein muss. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine Produktionsverlagerung nur dann vorliegt, wenn die Funktionseinschränkung im Inland die Auslagerung ins Ausland verursacht hat.

Für die Erfüllung des Tatbestandes der Produktionsverlagerung ist es zunächst unerheblich, ob die Funktion im Inland zukünftig uneingeschränkt weiter ausgeübt werden könnte. Im Rahmen des Fremdvergleichs ist nur entscheidend, ob ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, für die Funktion ein Entgelt zu bezahlen.

3. Übertragung des früheren Kunden löst keine Funktionsverlagerung dem Grunde nach aus

Im vorliegenden Fall sah der BFH keine Funktion als übertragen an, da die Produktion für einen bestimmten Kunden nicht als organischer Teil des Unternehmens betrachtet wurde. Die Produktion für diesen Kunden wurde nicht als eigenständige Produktion im Unternehmen angesehen, sondern als spezieller Kundenauftrag.

4. Überlassung einer Kundenbeziehung als vGA

Der BFH wies darauf hin, dass die Übertragung einer bestehenden Kundenbeziehung an eine Schwestergesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen kann.

Das bedeutet, wenn ein Unternehmen einer Schwestergesellschaft eine bestehende Geschäftsbeziehung zu einem Kunden überlässt und auf zukünftige Gewinne aus dieser Geschäftsbeziehung verzichtet, könnte dies steuerliche Konsequenzen haben.

Ausblick

Das Urteil des BFH enthält praxisrelevante Aussagen zu mehreren Streitfragen im Rahmen der steuerlichen Behandlung von Produktionsverlagerungen ins Ausland.

Es verdeutlicht, dass Unternehmen bei der Gestaltung ihrer internationalen Geschäftsmodelle nicht nur auf betriebswirtschaftliche, sondern auch auf steuerliche Aspekte achten müssen.

Es ist ratsam, sich frühzeitig über die steuerlichen Konsequenzen solcher Maßnahmen zu informieren.

Benötigen Sie steuerlichen Rat zur Prüfung, ob die Produktionsverlagerung ins Ausland Steuern für ihr Unternehmen auslösen wird?

 

Sprechen Sie mich gerne hierzu an!

Disclaimer

Der Beitrag verwendet zum besseren Verständnis eine einfache Sprache und ist bezüglich der einzelnen Voraussetzungen, die das Gesetz fordert, auch verkürzt dargestellt.

Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information. Jede Situation ist individuell, daher empfehle ich immer eine professionelle Beratung, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Zuletzt aktualisiert 2. August 2024

Wer schreibt hier für Sie?

Picture of Melina Mavridou

Melina Mavridou

Guten Tag, mein Name ist Melina Mavridou. Ich bin Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht. Ich helfe auch Ihnen gerne die Doppelbesteuerung und Ärger mit dem Finanzamt zu vermeiden.

Mehr über mich erfahren

Bleiben Sie informiert:

Bleiben Sie auf dem aktuellen Stand und erhalten Sie praktische Tipps aus meiner Beratungspraxis.

Einfach geschrieben, ohne komplizierte Fachbegriffe und mit konkreten Praxistipps zur direkten Umsetzung.

Für den Versand unserer Newsletter nutzen wir rapidmail. Mit Ihrer Anmeldung stimmen Sie zu, dass die eingegebenen Daten an rapidmail übermittelt werden. Beachten Sie bitte deren AGB und Datenschutzbestimmungen .

Bleiben Sie auf dem aktuellen Stand und erhalten Sie praktische Tipps aus meiner Beratungspraxis.

Einfach geschrieben, ohne komplizierte Fachbegriffe und mit konkreten Praxistipps zur direkten Umsetzung.

Für den Versand unserer Newsletter nutzen wir rapidmail. Mit Ihrer Anmeldung stimmen Sie zu, dass die eingegebenen Daten an rapidmail übermittelt werden. Beachten Sie bitte deren AGB und Datenschutzbestimmungen .