Funktionsverlagerung -
Steuerfalle bei der Expansion ins Ausland verstehen
Im Zuge einer Expansion ins Ausland werden häufig im Inland ausgeübte Funktionen in kostengünstigere Länder verlagert. Meist steht die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Vordergrund. Steuerliche Gründen spielen nachrangig eine Rolle.
Die Verlagerung ins Ausland löst in Deutschland mit der sogenannten Funktionsverlagerung steuerliche Konsequenzen aus.
In diesem Artikel erkläre ich Ihnen alles Wichtige rund um die Funktionsverlagerung und was Sie dabei zu beachten haben.
Überblick
Funktionsverlagerung – was versteht man hierunter?
Eine Funktionsverlagerung liegt immer dann vor, wenn eine Funktion, die bisher von einem Unternehmen ausgeübt wurde, auf eine nahe stehende Person im Ausland übergeht (§ 1 Abs. 3b AStG).
Erfolgt dies unentgeltlich und reduziert sich der Gewinn des deutschen Unternehmens durch die Funktionsverlagerung, erfolgt eine Korrektur des steuerpflichtigen Ergebnisses in Deutschland.
Es ist also sicherzustellen, dass für die übertragene Funktion einschließlich dazugehöriger Chancen und Risiken sowie mitübertragener Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ein Kaufpreis vereinbart wird, der fremdüblich ist.
Hinter dieser Regelung steckt folgende Frage:
Würden Sie einem fremden Dritten eine betriebliche Funktion Ihres Unternehmens übertragen ohne einen Kaufpreis zu verlangen?
Definition einer Funktion
In der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) aus dem Jahr 2022 hat die Finanzverwaltung zu den Grundsätzen der Funktionsverlagerung Stellung genommen.
Danach ist eine Funktion eine Geschäftstätigkeit, die gleichartige betriebliche Aufgaben zusammenfasst und von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Maßgebend ist also, ob ein organischer Unternehmensteil vorhanden ist, der auf ein verbundenes Unternehmen übergeht.
Hierzu zählen beispielsweise
- die Produktion
- der Vertrieb
- das Marketing
- die Forschung und Entwicklung oder
- die Verwaltung.
Bewertung des sogenannten Transferpakets
Soweit eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken auf ein verbundenes Unternehmen übertragen wird, geht ein sogenanntes Transferpaket über.
Dies bedeutet, dass nicht nur die einzelnen individuellen Wirtschaftsgüter, sondern auch die zugrundeliegenden Vor- und Nachteile bei der Bewertung des Transferpakets berücksichtigt werden müssen.
Bei Umstrukturierungen innerhalb des Konzernverbundes ist es aufgrund der individuellen Umstände regelmäßig schwierig, Vergleichswerte für die Übertragung von Funktionen heranzuziehen. In diesen Fällen ist der sogenannte hypothetische Fremdvergleich als Maßstab zugrunde zu legen.
Die Bewertung eines solchen Transferpakets, d.h. der übergehenden wirtschaftlichen Einheit, erfordert grundsätzlich eine Bewertung nach den Grundsätzen der Unternehmensbewertung. Für die Bewertung können kapitalwertorientierte Methoden herangezogen werden (§ 2 FVerlV).
Dabei ist zu beachten, dass bei einer Funktionsverlagerung eine doppelte ertragswertorientierte Bewertung zu erfolgen hat:
- Danach bewertet das verlagernde Unternehmen die infolge der Funktionsverlagerung übergehende wirtschaftliche Einheit; dieser Wert fungiert für den hypothetischen Einigungsprozess als Mindestwert.
- Das übernehmende Unternehmen bewertet dagegen die übergehende wirtschaftliche Einheit unter Berücksichtigung seiner eigenen Gewinnerwartungen und Kostenstruktur. Dieser Wert fungiert als Höchstwert für den Einigungsprozess.
Innerhalb dieser Bandbreite, dem sogenannten Einigungsbereich, ist der Preis für die Funktionsverlagerung festzulegen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Fremdvergleichspreis entspricht.
Sofern der Steuerpflichtige keine hinreichenden Gründe für die Festlegung des Fremdvergleichspreises erbringen kann, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs maßgeblich.
Die Bewertung des Transferpakets ist aufwendig und bietet in der Praxis häufig Angriffspunkte von Seiten der Betriebsprüfung.
Ausnahmen bei Funktionsverlagerungen
Einzelbewertung statt Transferpaket
Abweichend vom Grundsatz der Bewertung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) hat der Gesetzgeber eine Einzelbewertung normiert (Vgl. § 1 Abs. 3b Satz 2 und 3 AStG)
Voraussetzung hierfür ist, dass
- Weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung sind
- Das übernehmende ausländische Unternehmen die übergehende Funktion nur gegenüber dem deutschen verlagernden Unternehmen ausübt
- Das Entgelt für die Ausübung der Funktion nach der sog. Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird.
Im Prinzip kann eine Einzelbewertung erfolgen, wenn die Funktion auf sog. Routineunternehmen verlagert wird.
Funktionsverdoppelung
Eine Funktionsverlagerung liegt nicht vor, wenn es innerhalb von 5 Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das ausländische Unternehmen zu keiner Einschränkung beim deutschen Unternehmen kommt.
Hierunter sind Fälle der Funktionsverdoppelung berücksichtigt. Die Funktion wird nicht „vollständig“ ins Ausland verlagert, sondern dort zusätzlich aufgebaut. Die ursprüngliche Funktion bleibt in Deutschland bestehen.
Die Regelung erfordert in der Praxis ein intensives Monitoring. Denn liegt eine Einschränkung auf Ebene des deutschen Unternehmens vor, wird rückwirkend eine Funktionsverlagerung angenommen.
Bloße Veräußerung oder Nutzungsüberlassung
Werden Wirtschaftsgüter an ein verbundenes Unternehmen veräußert oder zur Nutzung überlassen, liegt keine Funktionsverlagerung vor.
Gleichwohl ist für diesen Geschäftsvorfall ein angemessener Verrechnungspreis zu bestimmen.
Dokumentation & Mitteilungspflichten
In grenzüberschreitenden Konstellationen existiert eine erhöhte Dokumentations- und Mitwirkungspflicht. Andernfalls drohen Sanktionen.
Funktionsverlagerungen stellen außergewöhnliche Geschäftsvorfälle dar, die zeitnah zu dokumentieren sind (Vgl. 90 Abs. 3 Satz 5 AO).
Darüber hinaus sollten entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen den verbundenen Unternehmen geschlossen werden.
Grundsätzlich liegt im Falle einer Funktionsverlagerung eine anzeigepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung vor, die unter den weiteren Voraussetzungen des § 138d AO der Finanzverwaltung zu melden ist.
Preisanpassung
Die Preisanpassungsklausel (§ 1a AStG) ermöglicht der Finanzbehörde unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Anpassung, wenn die beteiligten Unternehmen für die Veräußerung des Transferpakets keine fremdüblichen Anpassungsregelungen getroffen haben.
In diesem Fall ist eine Berichtigung des Preises vorzunehmen, wenn bezogen auf die ersten 7 Jahre nach dem Geschäftsabschluss eine erhebliche Abweichung auf den Verrechnungspreis vorliegt. Entsprechend müssten die angesetzten Verrechnungspreise überprüft werden. Dies erfordert eine erneute Bewertung.
Wird eine Preisanpassungsklausel vereinbart, ist zu prüfen, ob sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
Regelmäßig ist zu empfehlen, in dem Vertragswerk eine Preisanpassungsklausel zu berücksichtigen, um eine Anpassung durch die Finanzverwaltung zu vermeiden.
PRAXISTIPP
- In der Praxis wird das Thema der Funktionsverlagerung oft unterschätzt. Es ist allerdings ein wesentliches Thema insbesondere mit einer möglichen hohen Steuerbelastung für das deutsche Unternehmen.
- Gleichzeitig bedarf es einer Abstimmung mit dem Ausland, um sicherzustellen, dass das Transferpaket im Ausland Akzeptanz findet. Andernfalls droht eine Doppelbesteuerung.
- Fragen Sie sich als Erstes: Welche konkrete Aufgabe soll das ausländische Unternehmen erfüllen? Welche Wirtschaftsgüter werden aus Deutschland benötigt?
Planen Sie mit Ihrem Unternehmen ins Ausland zu expandieren und benötigen Sie steuerlichen Rat?
Ich unterstütze Sie gerne bei der Planung und Implementierung einer steuerlich optimalen Struktur.
Sprechen Sie mich gerne hierzu an!
Disclaimer
Der Beitrag verwendet zum besseren Verständnis eine einfache Sprache und ist bezüglich der einzelnen Voraussetzungen, die das Gesetz fordert, auch verkürzt dargestellt.
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information. Jede Situation ist individuell, daher empfehle ich immer eine professionelle Beratung, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Zuletzt aktualisiert 11. Oktober 2024